conceptual now 2011

 

im artP.kunstverein Franz Josef Straße 1a, A-2380 Perchtoldsdorf

Präsentation 17. Juni 2011 19.00 Uhr | Ausstellungsdauer 18. Juni bis 2. Juli

→ Wirklichkeitsabnahme – Dokumentation als Konzept | capturing reality

Eine Zusammenarbeit von artP mit CONCEPTUALnow. Zusammenstellung und inhaltliches Programm: Wolfgang Sohm


Foto: Antonia Petz 2008 – Detail einer Recherche aus CONCEPTUALnow 2011

Heimo Lattner | Jaime Lutzo | Antonia Petz | Günter Puller | Judith Raum | Wolfgang Sohm

Im Rahmen dieser Ausstellung findet die Präsentation der Audio-CD „Kunst zwischen Affirmation und Subversion“ statt, eine Zusammenfassung der am 19. Juni 2010 von Wolfgang Müller-Funk mit Brigitte Borchhardt-Birbaumer, Sophia Panteliadou und Franz Schuh abgehaltenen gleichnamigen Podiumsdiskussion in den Räumen des artP, aufgezeichnet im Rahmen der dokumentarischen Arbeit von CONCEPTUALnow. Diese Aufzeichnung bildet die Ausgangsbasis der Schau.

Aufbauend auf den Recherchen über Methoden dokumentarischer Arbeitsweisen als Entwicklungsform des Präsentationskonzepts für CONCEPTUALnow 2009 – dort vor allem in Bezug zu selbstgewählten Arbeitshintergrundbeschreibungen von Künstlern genützt – findet in CONCEPTUALnow 2011 eine Gegenüberstellung unterschiedlicher Formen von Recherche und Dokumentation in gegenwärtiger Konzeptarbeit mit Inhalten konkreter Beobachtung in einer als Wirklichkeitsabnahme ortsspezifisch zeitversetzt gebundenen medialen Installation statt. Diese konkrete Installation besteht zu einem Teil aus der Präsentation einer Audio-CD mit den Inhalten der Podiumsdiskussion von 2010 an dem Ort der Gesprächsabnahme, zum anderen Teil aus dem Filmscreening eines momentanen Arbeitszustands des Zusammenschnitts von Teilen dieser Podiumsdiskussion mit mehreren Performance- sowie Installationsaufnahmen – thematisch zu den Themen in dem Podiumsgespräch parallel scheinenden Gehalts – sowie einem filmischen Dokument verbaler Angriffe sowie späterer vandalistischer Zerstörung einer künstlerischen Arbeit im öffentlichen Raum.

Die gezeigten 4 Arbeitszustände medialer Repräsentation beinhalten auch Möglichkeiten der Abnahme von Wirklichkeit und deren Realisierung im medialen Kontext, wobei die Möglichkeit der Abnahme von Wirklichkeit in rein formaler Sicht die bildhafte Darstellung der Veränderung von Landschaftsrezeption anhand physikalischer Nutzungseingriffe in einem Bergareal – beschrieben von Antonia Petz und Wolfgang Sohm in unbewegtem und bewegtem Bildmaterial – vor Augen führt. Als weiterer Arbeitszustand neben der Audio-CD Präsentation, des installierten Rohschnitts des Films und der zuvor beschriebenen Abnahme findet sich der Film Kitsch, Wille und Director’s Choice, ein bei CONCEPTUALnow 2009 im Produktionszustand präsentierter und somit dorthin auch rückreferenzierender Film.

In dem dokumentarischen Material beider Filme finden sich Arbeitsteile, Arbeitsbeschreibungen und Beobachtungen zu Arbeiten von Eva Brunner-Szabo, Max Bühlmann, Hiroshi Egami, Elffriede, Jasmina Gavrankapetanovic, Karin Hatwagner, Gerda Lampalzer und Sabine Maier. Es sind von Wolfgang Sohm unter Mithilfe von Antonia Petz erstellte Dokumente.

Das Wesen des dokumentarischen Arbeitens ist die Freiheit der Beobachtung, um durch uneingeschränkte Wahrnehmungsrealität ein wirkliches Bild des Beobachteten zu erhalten. Wo ein vorgegebener Aspekt zwingend umgesetzt werden muss, wird die Beobachtung eine Realität erzwingen, wie die einer politischen Position, einer geschlechtlichen Determinierung oder einer kulturimmanenten Vorschrift. Die Freiheit des Medialen eröffnet sich ausschließlich in ihrer Auftragslosigkeit. Ansonsten dient sie ohne Alternative der Bestimmung der Menschen in ihrem Wollen den Auftraggebern zu folgen. Die Freiheit der Beobachtung ist das grundlegende Primat der konzeptorientierten Arbeitsweise und der daraus resultierenden Umsetzung der künstlerischen Freiheit. Jeder Auftrag zergliedert das Bewusstsein des Blickführenden in den Auftraggeber und den Beobachter und macht ihn zum Medium des geistigen Wollenstriebs des Gewünschten. Diese Realität der Medienarbeit ist gegenwärtig Grundlage der gesellschaftlichen Nutzung von Kunst, Medienkunst und kunstgeschichtlicher Wertfindung.

Der Titel Dokumentation als Konzept bezieht sich auf diesen Vorgang der reinen Beobachtung, wie sie schon in den Anfängen der Konkreten Kunst und in anderen minimalistischen Kunstformen auf die reine Kunst verweisend, keinem Zweck folgend, nur sich selbst zum Inhalt haben scheinend, die geistigen Möglichkeiten des Beobachters aufschließen lässt.

Wirklichkeitsabnahme ist ein Begriff doppelter, ja mehrfacher Bedeutung. Er bezieht sich hier zum einen auf die Wirklichkeit des selbstgestaltenden Wahrnehmenden, zum anderen auf die Vorstellungen der Welt über das Ich, das selbstbeschreibende Imago des Seienden. Diese Transformation der Wirkung auf das Ich zu der Wahrnehmung des Ich, die dieser Begriff per se enthält, bestimmt auch den Vorgang des Dokumentarischen.


Foto: Wolfgang Sohm 2011 – Ausstellungsdetail CONCEPTUALnow 2011 – Arbeitsansicht Heimo Lattner, Judith Raum, Günter Puller

Neben den oben beschriebenen Arbeitsdokumenten und den damit demonstrierten Wertfindungen finden sich Arbeiten von Heimo Lattner, Jaime Lutzo, Günter Puller und Judith Raum als GastkünstlerInnen in dieser Präsentation. In ihnen demonstrieren sich ebenso andere Ansätze von Dokumentation und Konzept. Diese in der Ausstellung installierten Arbeiten, sowie die artefaktischen Rahmen oben erwähnter Inhalte, wurden von Andrea Winklbauer in einem beschreibenden Text zur Ausstellung ergänzend dargelegt:

→ Andrea Winklbauer | CONCEPTUALnow 2011: capturing reality

Unter dem Titel „same time tomorrow – A step is a dance. It is also a procession“ sind die zwischenzeitlich teilweise weiterentwickelten Arbeiten der 4 GastkünstlerInnen Heimo Lattner, Jaime Lutzo, Günter Puller und Judith Raum vom 20.4. bis 2.6.2012 im Kunstpavillon der Tiroler Künstlerschaft zu sehen.